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Durch die Sahara (Johann)

Tag 132

Während der Durchquerung des Sinai bin ich auf den Geschmack von Wüste gekommen. Langsam fange ich an ernsthafter zu überlegen, ob es auch möglich sein könnte, mit dem Fahrrad in die Sahara zu fahren. Ich recherchiere bereits in Suez etwas im Internet und als ich in Alexandria wieder voll regeneriert bin steht der Plan. Ich will von Kairo aus bis zur Bahariyaoase mit dem Fahrrad durch die Sahara fahren. Das Beste kommt zum Schluss. Schwer zu sagen ob der Respekt vor der Tour überwiegt oder die Vorfreude. Aber alleine mit dem Fahrrad  in die Sahara fahren, das klingt einfach nach einem zu guten Abenteuer um es nicht zu machen…

Mit dem Zug geht es für 3 € zurück nach Kairo. Den Plan mit der Metro bis in den Stadtteil Gizeh zu fahren muss ich an Drehkreuzen mit Sicherheitsbeamten aufgeben, keine Chance dass ich mit darf. Also mache ich mich mit dem Rad auf den Weg quer durch die Stadt. Nach nur einmal kurz verfahren und einem ausführlichen Einkauf für die nächsten Tage (viel Brot, viel Wasser, Milch, Schmelzkäse, Dose Ananas, Kekse, Thunfisch, Hommus) fahre ich am Nilufer bis nach Gizeh, dort an den Pyramiden vorbei und finde nach vielem fragen endlich auch die Straße in die Wüste, die zur Oase Bahrariya führt. Kairo zieht sich noch ca 40 Kilometer mit Neubaugebieten und Hotelanlagen hin. Schließlich schaue ich mir bereits im Dunkeln eine Baustelle an. Hinter dem Haus in dem ich gerne schlafen will brennt ein Feuer, ich geh hin und frage die Bauarbeiter ob ich dort schlafen kann. Nach einem Tee und etwas Unterhaltung schlafe ich dann bei ihnen.

Tag 133 120 km 26.07

Vor Sonnenaufgang bin ich wieder auf der Straße, jetzt geht es wirklich los. Es wird wieder mal eine Etappe mit Gegenwind, außerdem, wer hätte gedacht, dass es im Hochsommer in der Sahara so heiß werden kann?

Ich komme zu einer Mienenstadt, bei der ich von den Wachleuten frisches Wasser bekomme. Sie sind begeistert von der Tour und schenken mir gleich noch leckeren Käse und frisches Brot.

Als es gegen 11.00 definitiv zu heiß zum weiterfahren ist, taucht zum Glück am Wegesrand eine Art Bushaltestelle auf, die Schatten spendet. Dort sind bereits drei Leute. Erst ist es lustig, wir machen Fotos und unterhalten uns so gut es geht. Irgendwann kommt aber noch ein Auto mit Bekannten der drei dazu, die beschlossen zu haben scheinen den halben Tag genau hier zu verbringen. Irgendwann wird es anstrengend. Ich will schlafen und mich ausruhen, sie wollen sich mit mir unterhalten. Wegfahren kann ich aber nicht, weil es einfach viel zu heiß ist um weiterzufahren. Ca. halb vier breche ich wieder auf. Ein Mann warnt mich dass es noch zu heiß wäre. Ich muss feststellen, dass er recht hat.

Als ein kleines Eisenbahnerhäuschen auftaucht (Es gibt eine Bahnstrecke zur Oase für Rohstoffe) flüchte ich mich nochmals eine gute halbe Stunde in den Schatten. Erst gegen 18.00 kann man davon sprechen, dass es halbwegs angenehm wird zu fahren. Noch ordentlich warm, aber nicht mehr zu heiß. Gegen 19.00 ist es ideal zum fahren.

Ungefähr um 8 komme ich zu einer Ambulanzstation (aller 80-100 km gibt es Stationen in denen ein Rettungswagen steht, der einen zum nächsten Krankenhaus nach Kairo oder in die Oase fahren kann). Dort bekomme ich neues Wasser und werde vom Bahnwärter der vorbeikommt zum Tee in seine Bahnhütte eingeladen. Dort kann ich dann auch schlafen. Es ist die beste Nacht seit langem.

Tag 134 110 km 27.07

Vor Sonnenaufgang trinke ich mit dem Bahnwärter noch ein mir bis dahin unbekanntes Heißgetränk, dann geht es auf die Straße. Es ist wieder ein ausgesprochen heißer Tag. Ab und an fragt man sich, ob es eigentlich eine gute Idee ist, mitten im Hochsommer mit dem Fahrrad durch die Sahara zu fahren…

Ich bin froh, als ½ 11 ein Unterstand auftaucht, der mir Schatten spendet. Dort rastet eine Familie, die mich zu den ausgesprochen leckeren Resten ihres Mittags einlädt. Als die Familie weiterfährt merke ich wie viele Fliegen dieses schattige Plätzchen mit mir teilen. Ich kann weder schlafen noch lesen, weil ich ständig Fliegen im Gesicht habe. Zur Warnung erschlage ich drei Stück. Sie nehmen die Warnung aber nicht ernst. Als ich an die 80 Fliegen erschlagen hab (nicht auf einen Streich) wird es etwas erträglicher. Mit einem Tuch über dem Gesicht und bedeckten Armen und Beinen kann man nun ansatzweise dösen. Das blöde ist wirklich, dass man wenn man sich einmal niedergelassen hat und die Uhr nach 11 zeigt, man sich nicht einfach einen besseren Ort für die Pause suchen kann. Wieder eine Pause in der ich ungeduldig warte dass sie vorbei geht.

Der Verkehr ist deutlich ruhiger als am Vortag, dazu eine eintönige aber zugleich eindrückliche Landschaft lassen bestes Wüstenfeeling aufkommen.

Abends habe ich zu kämpfen: Ich bin müde, es ist heiß. Aber zumindest habe ich hier in der Sahara die Herausforderung, die ich wollte. (Nicht weil es steil wäre, es liegt an Sand, Hitze, Sonne)

Hinter einer Sanddüne lege ich mich schlafen. In der Nähe sind Pfotenabdrücke. Hunde? Messer, Pumpe, Steine, Lampe liegen griffbereit neben meinem Kopf als ich einschlafe.

Tag 135 120 km 28.07

Die Nacht ist ruhig und mückenfrei, dazu schöner Sternenhimmel. Trotzdem komme ich nicht so früh aus dem Sand wie geplant. Erst kurz nach 6 steh ich auf. Ich bin müde, ich bin geschafft. Das Fahren strengt mich schon morgens an. An einem hübschen Felsen mache ich Frühstückspause und-finde Muscheln. Mitten in der Sahara.

Ich komme zu einer Ambulanzstation, lege mich erstmal noch 20 Min in den Schatten und klopfe dann an die geschlossene Tür. Ein junger Mann öffnet, ich bekomme Wasser und eine Einladung zum Essen. Es ist erst kurz nach 9, also noch viel zu früh, aber ich nehme trotzdem gerne an, da ich die Anstrengung mittlerweile recht deutlich durch ein komisches Drücken im Kopf spüre. Als er beginnt Gemüse zu schnippeln möchte ich mich gerne nochmal draußen hinlegen, aber er hat sogar eine Matratze für mich. Eine wirkliche Wohltat. Zum Essen stehe ich wieder auf, etwas erholt. Selbstgemachte Pommes, gebratene Aubergienen, Marmelade, Käse, Brot und einen Tomate -Gurken-Salat. Ich wähne mich im Paradies. Wie erfrischend frisches Gemüse sein kann. Anschließend gibt es Tee. All das tut unbeschreiblich gut. Ein weiterer junger Mann zeigt mir Bilder von der Bahariya Oase, wir unterhalten uns und es wird langsam Mittag. (Zum Glück, jetzt kann ich nämlich nicht mehr weiterfahren) Ich werde wieder schlafen geschickt, und als ich drei Stunden später wieder aufstehe, gibt es nochmal Essen. In der Zwischenzeit gab es draußen einen ordentlichen Sturm. Nach dem Essen trinken wir nochmal einen Tee. „Schlafen, Essen, Schlafen, Essen… und dass 130 Tage lang“ meint der eine, nachdem ich erzählt habe, wie lange ich schon unterwegs bin. Wir müssen alle herzlich lachen.

Wirklich erholt und gestärkt mache ich mich gegen 5 wieder auf den Weg. Ich weiß nicht, ob ich jemals zuvor in meinem Leben eine so krasse Erfahrung von erschöpft sein und gestärkt werden gemacht habe. Es müssen nicht immer Männer mit Flügeln sein…

Als ich weiterfahre ist es immer noch sehr windig und ich fühle mich wie ein Haus, dass mit einem Sandstrahler abgespritzt wird. Sand wird in breiten Streifen über die Straße geweht und macht dabei ein rasselndes Geräusch. Meinen Blick habe ich stur nach links gewand- von rechts kommen Sand und Wind.

Als irgendwann die ersten Bäume einer kleinen Oase auftauchen ist es für den Bruchteil einer Sekunde ein Sentimentaler Moment für mich. Als es nach einem prächtigen Sonnenuntergang dunkel wird, frage ich mich, ob ich nochmal in der Wüste übernachte, oder versuche durchzufahren. Am Horizont tauchen Lichter auf und ich fahr weiter. Das Fahrrad beginnt irgendwie zu schwimmen. Der hintere Reifen hat Luft verloren. Ich pumpe, fahr weiter aber muss nach 20 Minuten schon wieder nachpumpen. Nach 5 weiteren Minuten ist klar, dass es so nicht weiter geht, auch wenn ich schon am Rand der Oase bin. Immerhin stehe ich jetzt unter eine Laterne und wechsel den Schlauch. Nach 11.00 komme ich im Camp an, schlage erst auf der Wiese mein Lager auf, miete mir dann aber doch noch ein Zimmer. Mücken…

Tag 136-138               29-31.07.10

Mit leichtem Gepäck fahre ich in die 5 km entfernt gelegene schwarze Wüste, fahre durch einen Palmenwald zu einem Wüstensee, freue mich wieder in günstigen Restaurants essen zu können und bade abends ausgiebig in einer heißen Quelle. Das ist Leben…

Am nächsten Mittag fahre ich mit dem Bus zurück nach Kairo. Ich hatte überlegt, ob ich noch die 140 km bis in die weiße Wüste fahre, die zu den schönsten Stellen der Erde zählen soll. Ich entscheide mich aber das für das nächste mal mit dem Fahrrad in der Sahara aufzuheben (aber nicht mehr im Hochsommer). Im Bus lerne ich David und Paul kennen, zwei Amerikaner, die seit 8 Jahren in Japan wohnen und dort Englisch unterrichten. Sie sind beide Radfahrer und knapp 40, aber so inspiriert von meiner Reise, dass sie sich in ihren nächsten Ferien auch erstmals auf eine lange Tour begeben wollen.

Mit dem Nachtbus fahre ich dann von Kairo zurück an die israelische Grenze, wo ich nach einem Nickerchen am Strand Ägypten bei Sonnenaufgang wieder verlasse.

Ich bin leicht übermüdet und glänze nicht in dem Sicherheitsinterview. Wie war doch gleich die alte Telefonnummer von dem Handy das geklaut wurde? Wie die neue?…Ich bereue es mir nicht erst einen Kaffee gekauft zu haben, aber irgendwann lassen sie mich doch durch. Es ist Shabbat, fast alle Läden in Eilat haben geschlossen, auch die Busstation macht erst um 11 auf. Der erste Bus nach Jerusalem geht um 16.00 Also warten. Ein schwer tätowierten Mann läd mich auf einen Kaffee ein. Er erzählt mir, dass er lange im Gefängnis gesessen hat. Um den Mauern zu entfliehen hat er davon geträumt mit dem Fahrrad auf Weltreise zu gehen. Als er mich jetzt gesehen hätte, hätte dieser Traum in Reinform vor ihm gestanden…

Tag 121                              125km                            14.07.10

Irgendwann wird es Morgen und ich fahre weiter. In einem Restaurant bekomme ich einen Nescafé der wirklich gut tut nach dieser Nacht. In Ermanglung eines Frühstücks kaufe ich Kekse…

Dann komme ich nach Kairo. Grade als ich auf das auffahre, was ich für die Ringautobahn halte sehe ich aus dem Augenwinkel noch ein Schild: Ring 300 m. Ich fahre trotzdem weiter, es gibt eh keine Wendemöglichkeit. Ich frage Polizisten-inkompetent wäre geschmeichelt.. Ich fahre weiter, bin unsicher, fahre auf dem Standstreifen der achtspurigen Autobahn wieder zurück und frage dann zwei LKW Fahrer, die auf dem Standstreifen Pause machen. Mühsam gelingt es ihnen mir zu erklären, dass ich richtig bin und laden mich noch zu einem Tee auf der Autobahn ein.

Als der Ring in den Rand von Kairo führt riecht es stellenweise als wäre die ganze Stadt ein einziges Klosett. Viel Müll, viele neugebaute Häuser, viele Moscheen und Kirchen, die immer beieinander zu stehen scheinen.

Die Minibusse, die immer wieder auf dem Standstreifen der Autobahn halten machen das Fahren sehr unangenehm. Ich bin froh, als nach 30 Kilometern auf dem Ring der Abzweig nach Alexandria kommt, aber die Verkerssituation verbessert sich kaum. Einmal quietschen direkt hinter mir die Reifen eines bremsenden Autos. Keine Ahnung was passiert ist, aber es klang knapp. Viele langsame LKW und Autos scheinen noch nie etwas (vom auch in Ägypten existierenden) Rechtsfahrgebot gehört zu haben, sie fahren wo es ihnen grade beliebt. Links und rechts vorbei schlängeln sich dann die Fahrzeuge denen es zu langsam geht. Als ich vor sechs Jahren in Kairo war, empfand ich die Verkehrssituation als faszinierend; einem Ameisenhaufen gleichend. Man selber erkennt kein System aber es funktioniert erstaunlich gut. Nicht so auf dieser Straße. Inzwischen habe ich ja nun wirklich einige Länder durchfahren und die Straße ist quasi mein zuhause, aber hier ist der Verkehr unkontrolliert idiotisch und gefährlich. Es scheint als hätte es hier bei der Suche nach alternativen Energien einen entscheidenden Fortschritt gegeben in dem es gelungen ist Hirn statt Benzin zu verfeuern…

Unfassbar wie grün das Niltal ist. Ich mache im Garten eines Restaurants eine lange Pause. Es gibt eine Wiese, Bäume, Sträucher, alles in sattem grün. Was für ein wohltuender Kontrast wenn man aus der Wüste kommt.

Abend komme ich in Difra an, dem Dorf in dem Mohammed wohnt, ein Bauarbeiter mit dem seit unserer gemeinsamen Zeit auf der Baustelle in Salt während meines Zivildienstes befreundet bin. Wir essen noch gemeinsam zu Abend, dann falle ich müde ins Bett.

Tag 122                         15.07

Am nächsten Morgen holt uns ein Fahrer mit seinem Auto ab, er soll uns aufs Land zu der Familie von Karim (Mohammeds Frau) bringen, die wir besuchen wollen. Während der Fahrt frage ich mich, ob ich diesen Verkehr lieber aus dem Auto, oder vom Fahrrad aus verfolge. Fahrrad… Ein LKW fährt wieder grundlos links unser Fahrer gibt Gas und überholt rechts. Dort steht aber ein Traktor mit Hänger auf der Fahrbahn. Ich frage mich noch kurz ob es wirklich möglich sein sollte vor dem Traktor wieder auf die Linke Fahrspur zu kommen. Ist es nicht. Fast ungebremst krachen wir hinten auf den Anhänger, der Traktor macht sich sofort aus dem Staub, ebenso der LKW während wir nach einem kurzen Schockmoment aus dem Auto steigen. Ich war vorn zum Glück angeschnallt, aber hinten wo Mohammed und Karim jeweils mit einem Kind auf dem Schoß saßen, gab es keine Gurte. Es ist schon ein gutes Stück Bewahrung, dass beide die Kleinen und sich so gut gehalten haben. Unser Fahrer steht unter Schock und wimmert vor sich hin, während in Karim, auch noch leicht geschockt beschimpft, weil er das Leben der Kinder so leichtfertig und unnötig aufs Spiel gesetzt hat. Der Fahrer muss von anderen Männern aus dem Wagen gehievt werden, ist aber wie wir anderen auch bis auf leichte Schürfwunden unverletzt.

Wir warten etwas, bis uns ein nächster Fahrer abholt. Zu meinem Schrecken fährt er aber nur geringfügig sicherer und scheint den Standstreifen, auf dem sich hier Menschen und Eselskarren tummeln als ideale Überholspur an. Ich halte mich für einen recht entspannten Beifahrer, aber als der erste Fußgänger zur Seite springen muss um nicht überfahren zu werden fordere ich unseren neuen Fahrer doch auf etwas langsamer zu fahren…Wir kommen ohne weiteren Zwischenfall an. Alhamdulila-Gott sei Dank.

Höhepunkt unseres Besuches wird es für mich mit dem Sohn, der knapp mein Alter hat auf dem Nil in einem Ruderboot zu angeln und sich dabei über die Politik und Ökonomie Ägyptens, Gott und die Welt zu unterhalten.

Tag 123-125                  16-18.07

Manche Sachen sind in dem Dorf  Difra immer noch so, wie ich sie von meinem ersten Besuch vor sechs Jahren in Erinnerung habe. Frauen waschen Geschirr, Teppiche und Kleidung im Fluss, Jungen baden, Männer angeln in ihm. Unwahrscheinlich viele Kinder spielen auf den Straßen und in den vielen kleinen Gassen die nur einen Lehmboden haben. Frauen sitzen auf der Stufe ihrer Tür vor dem Haus und hübsche Töchter haben sie auch immer noch. Es gibt viele Eselskarren, man wird auf Tritt und Schritt eingeladen. Aber es gibt auch Veränderungen. Dreirädige Autos, wie man sie eher in Indien vermuten würde haben Einzug gefunden und viele Häuser haben ein weiteres Stockwerk aufgesetzt bekommen, so dass die Gassen etwas dunkler geworden sind. Aber es bleibt ein Bauerndorf. Vieh wird durch die Gassen getrieben, Mohammed stoppt einmal einen davonlaufenden Esel für einen kleinen Jungen, bei Mohammeds Eltern laufen immer wieder Kücken in das Wohnzimmer und als wir abends zu einer Wasserpfeife bei Nachbarn eingeladen sind, werden Schafe durch den Raum in dem wir gemütlich sitzen ins Haus getrieben. Nachts schreit nebenan immer wieder ein Esel.

In diesen Tagen besuchen wir immer wieder Verwandte und Bekannte von Mohammed im Dorf, bei denen wir zu Tee oder zum Essen eingeladen sind. Oft gesellen sich dann noch viele Kinder oder Nachbarn dazu, die den Exoten, der mit einem Fahrrad aus Deutschland kam, um jemanden aus ihrem Dorf zu besuchen, bestaunen.

Gegen Ende der Zeit bekomme ich Kopfschmerzen und wahrscheinlich auch etwas Fieber. Ich bin im Elternschlafzimmer untergebracht, Mohammed und Karim sind extra für mich in einen anderen Raum gezogen. Leider gibt es in dem Raum kein Fenster, dass man öffnen kann, dafür aber erstaunlich viele Mücken. Die perfekte Regeneration ist da nachts nicht möglich.

Tag 126-131             19-24.07

Da Mohammed mit seiner Familie am nächsten Tag selber wieder nach Jordanien geht, breche ich auf, auch wenn ich noch nicht wirklich wieder richtig fit bin. Ich fahre mit dem Rad die 5 km nach Tanta und vera bschiede mich dort von Mohammed, der mit dem Bus zum Bahnhof gekommen ist. Mohammed ist ein Bauarbeiter, der es aber durch seinen Fleiß und den Job in Jordanien relativ weit gebracht hat, jedoch ist er absolut bescheiden und bodenständig. Trotz seines relativ jungen Alters haben die Leute in Difra viel auf seine Meinung gegeben. Vielleicht auch weil er viel ruhiger, überlegter und nicht so streitlustig ist wie viele andere im Dorf. Er gehört auf jeden Fall mit zu den gastfreundlichsten Leuten, die ich auf der Tour getroffen habe.

Mit dem Zug fahre ich nach Alexandria wo ich die nächsten Tage quasi Urlaub mache. Ausschlafen, 3 Bücher lesen, an der Mittelmeer Uferpromenade spazieren gehen, die neue Bibliothek besichtigen, genießen, dass Alexandria ein ganz anderes Flair hat, als der Rest Ägyptens und genießen, dass es hier viele Cafés mit echtem Kaffee gibt.

Tag 118-119                                                 11-12.07.10

Nach Afrika will ich durch einen Tunnel unter dem Suezkanal fahren, jedoch ist der Tunnel für Fahrräder und Fußgänger gesperrt erklärt mir ein Polizist. Die nächste Möglichkeit mit einer Fähre überzusetzen würde zwei Tage Umweg bedeuten. „Was soll ich machen?“ frage ich einen Polizist- „Warten“. Der erstbeste Kleinlaster wird gestoppt und das Fahrrad mit vereinten Kräften auf die Ladefläche gehievt. Dort nehme auch ich Platz und ab geht es durch den Tunnel. Ich stelle fest, dass es gut war nicht selbst durchfahren zu dürfen, die Spur ist zu schmal, als dass ich hätte gefahrlos überholt werden können.

Frühstück gibt es in Afrika an einer Tankstelle. Den Weg nach Suez fahre ich mit einem stillen Lächeln auf den Lippen – Wieder in Afrika, diesmal den ganzen Weg mit dem Fahrrad.

In Suez erhole ich mich den nächsten Tag und schaue den großen Ozeanriesen zu, die sich durch den Kanal schieben. Auch mein Allerwertester freut sich erstmals auf der Tour wirklich über eine Pause.

Tag 120               85km                                 13.07

Als ichMittags wieder weiterfahre ist es mit der Ruhe der Wüste vorbei. Viele LKWs fahren auf der Straße, viele von ihnen hupen. Es ist zu laut, dazu sehr heiß und Gegenwind der mich zermürbt. Ich fühle mich auf dieser Straße nicht wohl, es fehlt aber an einer alternativen Route. Immer wieder LKWs mit qualmenden Reifen oder beim Reifenwechsel. Ob das an der Hitze liegt?

Als Nachtquartier suche ich mir etwas Gestrüpp aus, in dessen Mitte es eine Art Lichtung gibt. Da mein Brot verschimmelt ist gibt es eine bescheidene Mahlzeit aus Schmelzkäse und Butterkeksen. Eine Springmaus kommt und zeigt erstaunlich wenig Scheu, als ich sie verjagen will. Erst beginnt sie an meinen Schuhen zu nagen, nimmt sich dann aber doch lieber mein Brot vor. Soll sie haben.

Mit der Dunkelheit kommen die Mücken. Erst versuche ich alles inklusive Gesicht zu bedecken, aber es wird unerträglich warm. Also wenigstens Gesicht raus. Als schließlich meine Lippe durch einen Stich anschwillt (schlafen kann ich bei dem Gesumme eh nicht) wechsel ich das Nachtlager. In der Nähe beginnen Dünen hinter welche ich mich in den Sand lege. Keine gute Nacht, aber immerhin besser.

Tag 115                                20 km                                                 08.07.10

Mit dem Bus fahre ich zurück ans Rote Meer nach Eilat, was ca 2 km von Aqaba entfernt liegt, nur halt in Israel, beantrage dort ein Visum für Ägypten und komme am frühen Abend mit dem Fahrrad über die Grenze nach Ägypten wo ich reichlich Vorräte für die bevorstehende Sinaidurchquerung einkaufe. Die Wasserreserven weite ich auf 10 Liter auf – ich will 1 ½ Tage in der Lage sein ohne Nachschub durchzukommen. Ein Einheimischer warnt mich vor Wölfen, die es im Sinai gebe. Ich solle einen großen Stock mitnehmen. Auf seine Frage wo ich übernachte antworte ich „im Zelt“ – dass ich ohne Zelt reise (Christian wollte das Zelt gerne in Israel nutzen) traue ich mir nicht zu erzählen, er würde mich wohl für komplett bescheuert halten…

Ich hab keine Ahnung ob es im Sinai Wölfe gibt, hab aber auch keine Möglichkeit dies herauszubekommen. Und da ich ab jetzt allein reise und ohne Zelt unter freiem Himmel schlafen werde nehme ich den Rat des Mannes an und führe einen ordentlichen Stock mit mir, den ich griffbereit halte.

Die erste Nacht schlafe ich an der Küste in einer leerstehenden Hütte.

Tag 116                             110 km                                   09.07

Kurz nach 5 stehe ich auf, packe und fahre vor Sonnenaufgang los. Mein Weg führt weg von der Küste und geht nun ein gutes Stück aufwärts in den Sinai. Unterwegs komme ich an einem ausgebrannten Tanklastwagen vorbei und komme mir selber ein Bischen wie ein LKW vor, wie ich mich langsam aber kontinuierlich die Straße hinaufkämpfe- nur ausgebrannt fühle ich mich nicht, im Gegenteil: Nur mein Rad und ich auf der halbwegs ruhigen Straße im Sinai. Ich genieße das Fahren und plötzlich habe ich erstmals auf der gesamten Reise das Gefühl wirklich weit weg zu sein.

Trotz der Steigung und des starken Gegenwindes erreiche ich irgendwann eine Art Plateau, das sich im Norden über die Sinaihalbinsel erstreckt. Ich durchquere hier zum ersten mal eine richtige Wüste.

Mittag kann ich in einem Restaurant in einem kleinen Dorf machen. Ab und an überholen mich Autos oder Kleinbusse, die abenteuerlich beladen sind. Die Zuladung an Koffern und Säcken die auf den Dachgepäckträgern untergebracht wird entspricht oft mindestens dem Volumen des Autos…

Ein Auto überholt mich, hält an und der Fahrer fragt, ob er irgendwas für mich tun kann. Als ich verneine schenkt er mir trotzdem eine Flasche eiskaltes Wasser. Wasser in der Wüste. Was für ein Geschenk.

Als es abends zu dämmern beginnt such ich nach einer geeigneten Schlafstelle. Am Besten etwas, dass zumindest an zwei Seiten geschlossen ist, damit man mit dem Rücken in einer Ecke stehen kann, falls tierischer Besuch kommen sollte. Ich finde eine Art Bushaltestelle, die drei Wände hat- perfekt. Bevor ich mich totmüde schlafen lege sammle ich noch ein gutes Dutzend Steine, die ich neben Messer, Stock und Taschenlampe griffbereit lege.

Tag 117                            175 km                                        10.07

Es wird der längste Tag der Reise. 6.00 bin ich auf der Straße. Da der Himmel über Nacht zugezogen ist, ist es so kühl, dass ich mit Jacke losfahre. Ein zweiter wunderschöner Tag in der Wüste. Es gibt verlassene Bunker zu sehen, viele Militärbasen, Tier-Skelette, viele kaputte LKW Reifen und an einer Stelle sogar winzige Grüne Flecken, auf denen sich zu meinem großen Erstaunen Schmetterlinge tummeln. Und immer wieder fasziniert mich die Landschaft…

Stellenweise ist ist die Straße am Seitenstreifen eingebrochen- sehr beruhigend. Überall wo Schatten auftaucht, ist er mir willkommen um eine Pause zu machen.Unter einem Baum, in einer Röhre unter der Straße oder Unterständen die wie Bushaltestellen aussehen und Schatten spenden sollen. Eine Pause ohne Schatten ist undenkbar, dann lieber weiterfahren und wenigstens Fahrtwind haben (auch wenn der, wie der leichte Gegen- und Seitenwind warm ist).

Als es Abend wird fahre ich wieder auf Berge zu, Soldaten laden mich ein, aber ich fahre weiter. Ich fahre weiter, weil ich Strecke machen will, ich fahre weiter, weil es Spaß macht, weil ich auf niemand Rücksicht nehmen muss, ich fahre einfach weiter… weil ich frei bin.

Es wird wieder sehr windig, ich komme an ersten Sanddünen vorbei. Der Anstieg ist bald vorüber, dann aber großteils eher abwärts. Der Wind lässt den Sand durch die Luft fegen, so dass es manchmal auf der Haut leicht schmerzt. Als es absolut zu dunkel ist, um mit der Sonnenbrille weiterzufahren, setze ich erstmals zum Fahren meine Brille auf. Ein schlechter Schutz gegen Sand in den Augen ist besser als gar keiner.

Als ich unvermittelt in eine Sanddüne fahre, die auf die Straße geweht ist, mache ich zusätzlich zu meinem Vorderlicht noch meine Stirnlampe an. Es hat schon ein gewisses Etwas, wenn man nachts auf einer Straße durch die Wüste fährt, Sand der im Schein der Stirnlampe wirbelt, bis zu Fahrrad hohe Dünen die auf der Straße auftauchen und man selbst ohne Ahnung wo man in dieser Nacht, die schon längst reingebrochen ist, schlafen wird.

Ich fahre bevorzugt auf dem Standstreifen der Gegenrichtung, da dieser auf der hier sehr breiten Straße weitgehend dünenfrei ist – immer auf der Hut vor anderen Autos. Vor nächtlichen Überlandfahrten durch Ägypten rät jeder Reiseführer stark ab. Als ich schließlich in Sichtweite des Suezkanals an einer leeren Steinhütte vorbeikomme bin ich „tod aber glücklich“.

Zwischenmeldung

Christian und ich sind gesund und wohlbehalten in Frankfurt gelandet,wo wir abgeholt, und auf dem Herrnhaag von vielen lieben Menschen bei Grillgut und Bierchen empfangen wurden. Die Nachtraege folgen.

Um Christians Bericht noch etwas anschaulicher zu machen hier, einige Fotos. Dazu noch Fotos von Mitarbeitern, damit der Sternberg fuer die, die ihn nicht kennen, dass ein oder andere Gesicht bekommt. (Manche Gesichter sind so ernst, da grade ein Versicherungsmensch einen Vortrag haelt…)  Gruesse aus Afrika.

Bemerkung

Der Johann und ich haben uns fuer die naechste Zeit getrennt und er faehrt noch nach Aegypten, waehrend ich mir noch Israel ausfuehrlicher anschaue. Fuer alle Interessierten gibt es dann, wenn wir uns wieder getroffen haben werden zwei kleine Zusammenfassungen.

Christian

Sternbergtage

Eine Nacht auf dem Sternberg liegt hinter uns und gleich beim Erwachen wird deutlich, dass das Haus stark belebt ist. Einige Menschen -hauptsaechlich Frauen- gehen ihrer Arbeit nach. Leider sind schon seit einigen Wochen Ferien, sodass wir von den Kindern und Jugendlichen niemanden zu Gesicht bekommen.  Wir hatten uns den Ankunftstermin extra so gelegt, weil wir dachten, dass das kurz vor den Ferien sein duerfte und wir so noch die letzten Tage miterleben wuerden aber da waren wir wohl einer Fehlinformtion unterlegen. In den Tagen trafen wir uns manchmal abends mit Gene und Katharina aus Nicaragua, die auch in einem der Haeuser einquartiert sind, zum Fussball gucken und erleben schoene Abende.

In diesen Tagen treffen sich die MitarbeiterInnen zu einem Evaluationsgespraech zusammen, weshalb wir ersteinmal nur kurze Gespraeche zwischen Tuer und Angel fuehren Koennen. Spaeter werden wir aber noch sehr freundlich begruesst. Wir bekommen ein neues Quartier in einem kleinen Bungalow in der Naehe des Haupthauses, wohin wir gleich einmal umziehen. Ein Erkundungsgang ueber das grosse Gelaende, laesst uns einen Eindruck vom Sternberg gewinnen. Viele verschiedene Baeume begruenen die Gegend und in etwa einem Monat -so der Hauseister- sind auch viele ihrer Fruechte reif und bereit fuer die Ernte. Der Spielplatz ist mangels Kinder sehr ruhig aber im kleinen Waeldchen hat ein Jugend-Camp seine Zelte aufgeschlagen. Es handelt sich um ein Begegnung von christlichen und muslimischen jungen Menschen, die unsere gesammte Zeit, die wir auf dem Sternberg sind, immer Mal in kleinen Grueppchen in roten T-Shirts auftauchen. Die Werk- und Ausbildungsstaetten sind geschlossen, aber eine Lehrerin fuehrt uns durch die Raeume der Kunsttherapie, wo unter Anderem auch die Bilder des in Deutschland bekannten Sternberg- Kalenders entstehen.

Chris verlaesst uns die Tage, weil er nach Deutschland zurueckfliegt und wir begleiten ihn noch nach Jerusalem, in dessen Naehe wir in einem kleinen Dorf ein Konzert besuchen, das Israelis und Palaestinenser zusammenfuehren soll. Im Anschluss des Konzertes ist es zu spaet, um noch auf den Sternberg zu kommen, sodass wir wieder eine Nacht in Jerusalem schlafen und am naechsten Morgen zurueck fahren.

Auf dem Sternberg sitzen wir dann mit dem Leitungsteam (Ghada Naser-Zayed (Generaldirektorin), Farah Odeh (Verwaltungsleiter), Dr. Amira Rimawi (Leiterin des
Bereichs Sonderpädagogik)
) zu einem interessierten Gespraech ueber unsere Reise zusammen. Auch sie besondere Situatuon des Sternbergs in Palaestina ist ein Thema und begleitet uns auch in einer Vielzahl weiterer Gespraeche.

Sogar eine MitarbeiterInnenversammlung wird einberufen, in der wir ueber unsere Reise berichten und viele interessierte Fragen beantworten. Wie lange waren wir unterwegs?, wo haben wir geschlafen?, wie gefaellt uns Palaestina?, warum machen wir diese Reise? und, und, und. Das war auch die Gelegenheit die verschiedenen Gruesse aus Deutschland zu ueberbringen. Einige Mitarbeiterinnen erinnerten sich, dass Johann vor sechs Jahren schoneinmal zu Besuch war und sogar ich wurde von zwei Frauen, die vor einigen Jahren Deutschland ueber die HMH bereisten, wiedererkannt. Ausgelassene Stimmung fuellte das anschliessende gemeinsame Mittagessen und Farah Oden spendierte sogar anlaesslich seines und seiner Frau Hochzeitstages eine Torte fuer die Runde. Gerade unsere letzten Stunden auf dem Sternberg waren es, die uns sehr lieb in Erinnerung bleiben werden. Unsere Verabschiedung war sehr herzlich, als wir den Sternberg wieder verliessen.

Christian

Tag 109

Tag 109   23km     02.07.10

Grab von Arafat

Wir fruehstuecken an der Stadtmauer vor dem Damaskustor. Chris hat sich entschieden uns zum Sternberg zu begleiten und so machen wir uns wieder zu dritt auf den Weg. Problemlos kommen wir durch den grossen Kalandia Chekpoint zwischen Jerusalem und Ramallah. Es ist die am staerksten befestigte Grenze auf unserer Tour(nur das es im Gegensatz zur israelischen Grenzseite am tag zuvor keine Tretminen gibt). Die Mauer, massive Wachtuerme… wie eine zweite deutsch-deutsche Grenze.
Durch Ramallah fahren wir zum Sternberg. Da es mittlerweile frueher Freitagnachmittag ist, ist so gut wie niemand da. Wir unterhalten uns mit dem Watchman der erstmal jemand anruft, der sich um uns kuemmern soll. Gene, ein fliessend deutsch sprechender Amerikaner, der in Nicaragua lebt und dessen Frau fuer CBM eine Evaluation des Sternbergs macht gesellt sich dazu.
Dann bekommen wir jeder ein Zimmer im Internatsbereich zugeteilt. Nach einer Pause fahren wir mit dem Serveestaxi nach Ramallah wo wir mit gut 200 fussballbegeisterten  Maennern in einem grossen Café durch den Rauch zahlloser Wasserpfeifen hindurch beobachten, wie die Niederlande Brasilien  aus dem Tounier werfen. Anschliessend schlendern wir noch etwas durch Ramallah und besichtigen das Grab von Arafat. Eindrucksvoll und schlicht zugleich.
Ramallah hat sich in den letzten 6 Jahren seit meinem ersten Besuch stark veraendert. Damals war in der Stadt jede Wand mit Postern von Inhaftierten oder Maerthyrern gepflastert- heute sind sie beseitigt. Ueberall wird gebaut. Die Stasse nach Bir Zeit ist erneuert und der Erdwall, der die Strasse kurz vor Ramallah unpassierbar machte (es gab keine Kontrollen, Familien haben zu Fuss ihren Umzugskram von einem Lastwagen auf der einen Seite zu einem LKW auf der anderen Seite gebracht.) ist dauerhaft verschwunden. Die Stadt wirkt deutlich freundlicher. Lebendig ist sie eh. Ausserdem ist sie recht lieberal, man sieht viele junge Frauen mit Kopftuch gemeinsam mit welchen ohne Kopftuch durch die Strassen bummeln.