Tag 132
Während der Durchquerung des Sinai bin ich auf den Geschmack von Wüste gekommen. Langsam fange ich an ernsthafter zu überlegen, ob es auch möglich sein könnte, mit dem Fahrrad in die Sahara zu fahren. Ich recherchiere bereits in Suez etwas im Internet und als ich in Alexandria wieder voll regeneriert bin steht der Plan. Ich will von Kairo aus bis zur Bahariyaoase mit dem Fahrrad durch die Sahara fahren. Das Beste kommt zum Schluss. Schwer zu sagen ob der Respekt vor der Tour überwiegt oder die Vorfreude. Aber alleine mit dem Fahrrad in die Sahara fahren, das klingt einfach nach einem zu guten Abenteuer um es nicht zu machen…
Mit dem Zug geht es für 3 € zurück nach Kairo. Den Plan mit der Metro bis in den Stadtteil Gizeh zu fahren muss ich an Drehkreuzen mit Sicherheitsbeamten aufgeben, keine Chance dass ich mit darf. Also mache ich mich mit dem Rad auf den Weg quer durch die Stadt. Nach nur einmal kurz verfahren und einem ausführlichen Einkauf für die nächsten Tage (viel Brot, viel Wasser, Milch, Schmelzkäse, Dose Ananas, Kekse, Thunfisch, Hommus) fahre ich am Nilufer bis nach Gizeh, dort an den Pyramiden vorbei und finde nach vielem fragen endlich auch die Straße in die Wüste, die zur Oase Bahrariya führt. Kairo zieht sich noch ca 40 Kilometer mit Neubaugebieten und Hotelanlagen hin. Schließlich schaue ich mir bereits im Dunkeln eine Baustelle an. Hinter dem Haus in dem ich gerne schlafen will brennt ein Feuer, ich geh hin und frage die Bauarbeiter ob ich dort schlafen kann. Nach einem Tee und etwas Unterhaltung schlafe ich dann bei ihnen.
Tag 133 120 km 26.07
Vor Sonnenaufgang bin ich wieder auf der Straße, jetzt geht es wirklich los. Es wird wieder mal eine Etappe mit Gegenwind, außerdem, wer hätte gedacht, dass es im Hochsommer in der Sahara so heiß werden kann?
Ich komme zu einer Mienenstadt, bei der ich von den Wachleuten frisches Wasser bekomme. Sie sind begeistert von der Tour und schenken mir gleich noch leckeren Käse und frisches Brot.
Als es gegen 11.00 definitiv zu heiß zum weiterfahren ist, taucht zum Glück am Wegesrand eine Art Bushaltestelle auf, die Schatten spendet. Dort sind bereits drei Leute. Erst ist es lustig, wir machen Fotos und unterhalten uns so gut es geht. Irgendwann kommt aber noch ein Auto mit Bekannten der drei dazu, die beschlossen zu haben scheinen den halben Tag genau hier zu verbringen. Irgendwann wird es anstrengend. Ich will schlafen und mich ausruhen, sie wollen sich mit mir unterhalten. Wegfahren kann ich aber nicht, weil es einfach viel zu heiß ist um weiterzufahren. Ca. halb vier breche ich wieder auf. Ein Mann warnt mich dass es noch zu heiß wäre. Ich muss feststellen, dass er recht hat.
Als ein kleines Eisenbahnerhäuschen auftaucht (Es gibt eine Bahnstrecke zur Oase für Rohstoffe) flüchte ich mich nochmals eine gute halbe Stunde in den Schatten. Erst gegen 18.00 kann man davon sprechen, dass es halbwegs angenehm wird zu fahren. Noch ordentlich warm, aber nicht mehr zu heiß. Gegen 19.00 ist es ideal zum fahren.
Ungefähr um 8 komme ich zu einer Ambulanzstation (aller 80-100 km gibt es Stationen in denen ein Rettungswagen steht, der einen zum nächsten Krankenhaus nach Kairo oder in die Oase fahren kann). Dort bekomme ich neues Wasser und werde vom Bahnwärter der vorbeikommt zum Tee in seine Bahnhütte eingeladen. Dort kann ich dann auch schlafen. Es ist die beste Nacht seit langem.
Tag 134 110 km 27.07
Vor Sonnenaufgang trinke ich mit dem Bahnwärter noch ein mir bis dahin unbekanntes Heißgetränk, dann geht es auf die Straße. Es ist wieder ein ausgesprochen heißer Tag. Ab und an fragt man sich, ob es eigentlich eine gute Idee ist, mitten im Hochsommer mit dem Fahrrad durch die Sahara zu fahren…
Ich bin froh, als ½ 11 ein Unterstand auftaucht, der mir Schatten spendet. Dort rastet eine Familie, die mich zu den ausgesprochen leckeren Resten ihres Mittags einlädt. Als die Familie weiterfährt merke ich wie viele Fliegen dieses schattige Plätzchen mit mir teilen. Ich kann weder schlafen noch lesen, weil ich ständig Fliegen im Gesicht habe. Zur Warnung erschlage ich drei Stück. Sie nehmen die Warnung aber nicht ernst. Als ich an die 80 Fliegen erschlagen hab (nicht auf einen Streich) wird es etwas erträglicher. Mit einem Tuch über dem Gesicht und bedeckten Armen und Beinen kann man nun ansatzweise dösen. Das blöde ist wirklich, dass man wenn man sich einmal niedergelassen hat und die Uhr nach 11 zeigt, man sich nicht einfach einen besseren Ort für die Pause suchen kann. Wieder eine Pause in der ich ungeduldig warte dass sie vorbei geht.
Der Verkehr ist deutlich ruhiger als am Vortag, dazu eine eintönige aber zugleich eindrückliche Landschaft lassen bestes Wüstenfeeling aufkommen.
Abends habe ich zu kämpfen: Ich bin müde, es ist heiß. Aber zumindest habe ich hier in der Sahara die Herausforderung, die ich wollte. (Nicht weil es steil wäre, es liegt an Sand, Hitze, Sonne)
Hinter einer Sanddüne lege ich mich schlafen. In der Nähe sind Pfotenabdrücke. Hunde? Messer, Pumpe, Steine, Lampe liegen griffbereit neben meinem Kopf als ich einschlafe.
Tag 135 120 km 28.07
Die Nacht ist ruhig und mückenfrei, dazu schöner Sternenhimmel. Trotzdem komme ich nicht so früh aus dem Sand wie geplant. Erst kurz nach 6 steh ich auf. Ich bin müde, ich bin geschafft. Das Fahren strengt mich schon morgens an. An einem hübschen Felsen mache ich Frühstückspause und-finde Muscheln. Mitten in der Sahara.
Ich komme zu einer Ambulanzstation, lege mich erstmal noch 20 Min in den Schatten und klopfe dann an die geschlossene Tür. Ein junger Mann öffnet, ich bekomme Wasser und eine Einladung zum Essen. Es ist erst kurz nach 9, also noch viel zu früh, aber ich nehme trotzdem gerne an, da ich die Anstrengung mittlerweile recht deutlich durch ein komisches Drücken im Kopf spüre. Als er beginnt Gemüse zu schnippeln möchte ich mich gerne nochmal draußen hinlegen, aber er hat sogar eine Matratze für mich. Eine wirkliche Wohltat. Zum Essen stehe ich wieder auf, etwas erholt. Selbstgemachte Pommes, gebratene Aubergienen, Marmelade, Käse, Brot und einen Tomate -Gurken-Salat. Ich wähne mich im Paradies. Wie erfrischend frisches Gemüse sein kann. Anschließend gibt es Tee. All das tut unbeschreiblich gut. Ein weiterer junger Mann zeigt mir Bilder von der Bahariya Oase, wir unterhalten uns und es wird langsam Mittag. (Zum Glück, jetzt kann ich nämlich nicht mehr weiterfahren) Ich werde wieder schlafen geschickt, und als ich drei Stunden später wieder aufstehe, gibt es nochmal Essen. In der Zwischenzeit gab es draußen einen ordentlichen Sturm. Nach dem Essen trinken wir nochmal einen Tee. „Schlafen, Essen, Schlafen, Essen… und dass 130 Tage lang“ meint der eine, nachdem ich erzählt habe, wie lange ich schon unterwegs bin. Wir müssen alle herzlich lachen.
Wirklich erholt und gestärkt mache ich mich gegen 5 wieder auf den Weg. Ich weiß nicht, ob ich jemals zuvor in meinem Leben eine so krasse Erfahrung von erschöpft sein und gestärkt werden gemacht habe. Es müssen nicht immer Männer mit Flügeln sein…
Als ich weiterfahre ist es immer noch sehr windig und ich fühle mich wie ein Haus, dass mit einem Sandstrahler abgespritzt wird. Sand wird in breiten Streifen über die Straße geweht und macht dabei ein rasselndes Geräusch. Meinen Blick habe ich stur nach links gewand- von rechts kommen Sand und Wind.
Als irgendwann die ersten Bäume einer kleinen Oase auftauchen ist es für den Bruchteil einer Sekunde ein Sentimentaler Moment für mich. Als es nach einem prächtigen Sonnenuntergang dunkel wird, frage ich mich, ob ich nochmal in der Wüste übernachte, oder versuche durchzufahren. Am Horizont tauchen Lichter auf und ich fahr weiter. Das Fahrrad beginnt irgendwie zu schwimmen. Der hintere Reifen hat Luft verloren. Ich pumpe, fahr weiter aber muss nach 20 Minuten schon wieder nachpumpen. Nach 5 weiteren Minuten ist klar, dass es so nicht weiter geht, auch wenn ich schon am Rand der Oase bin. Immerhin stehe ich jetzt unter eine Laterne und wechsel den Schlauch. Nach 11.00 komme ich im Camp an, schlage erst auf der Wiese mein Lager auf, miete mir dann aber doch noch ein Zimmer. Mücken…
Tag 136-138 29-31.07.10
Mit leichtem Gepäck fahre ich in die 5 km entfernt gelegene schwarze Wüste, fahre durch einen Palmenwald zu einem Wüstensee, freue mich wieder in günstigen Restaurants essen zu können und bade abends ausgiebig in einer heißen Quelle. Das ist Leben…
Am nächsten Mittag fahre ich mit dem Bus zurück nach Kairo. Ich hatte überlegt, ob ich noch die 140 km bis in die weiße Wüste fahre, die zu den schönsten Stellen der Erde zählen soll. Ich entscheide mich aber das für das nächste mal mit dem Fahrrad in der Sahara aufzuheben (aber nicht mehr im Hochsommer). Im Bus lerne ich David und Paul kennen, zwei Amerikaner, die seit 8 Jahren in Japan wohnen und dort Englisch unterrichten. Sie sind beide Radfahrer und knapp 40, aber so inspiriert von meiner Reise, dass sie sich in ihren nächsten Ferien auch erstmals auf eine lange Tour begeben wollen.
Mit dem Nachtbus fahre ich dann von Kairo zurück an die israelische Grenze, wo ich nach einem Nickerchen am Strand Ägypten bei Sonnenaufgang wieder verlasse.
Ich bin leicht übermüdet und glänze nicht in dem Sicherheitsinterview. Wie war doch gleich die alte Telefonnummer von dem Handy das geklaut wurde? Wie die neue?…Ich bereue es mir nicht erst einen Kaffee gekauft zu haben, aber irgendwann lassen sie mich doch durch. Es ist Shabbat, fast alle Läden in Eilat haben geschlossen, auch die Busstation macht erst um 11 auf. Der erste Bus nach Jerusalem geht um 16.00 Also warten. Ein schwer tätowierten Mann läd mich auf einen Kaffee ein. Er erzählt mir, dass er lange im Gefängnis gesessen hat. Um den Mauern zu entfliehen hat er davon geträumt mit dem Fahrrad auf Weltreise zu gehen. Als er mich jetzt gesehen hätte, hätte dieser Traum in Reinform vor ihm gestanden…